T-Zell-Metabolismus: Potenzial für Diagnostik und Therapie

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.02.08

T-Zellen sind ein wichtiger Bestandteil des adaptiven Immunsystems und spielen auch bei überschießenden Immun­antworten wie allergischen oder autoimmunen Erkrankungen eine Rolle. Der Energiestoffwechsel von T-Zellen unterscheidet sich abhängig von ihrem Aktivierungs- und Differenzierungsstatus. Ein besseres Verständnis des T-Zell-Metabolismus kann zur Weiterentwicklung von Diagnostik und Therapie bestimmter Erkrankungen beitragen.

Schlüsselwörter: Glykolyse, β-Oxidation, oxidative Phosphorylierung, metabolische Reprogrammierung

Glykolyse und oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) sind die beiden wichtigsten Stoffwechselwege, um Adenosin­triphosphat (ATP) zu generieren. In der Glykolyse wird Glukose zu Pyruvat umgesetzt. Dieser Prozess wird durch transkrip­tionelle, posttranslationale und metabolische Faktoren streng reguliert [1]. Pyruvat wird bei ausreichender Sauerstoffversorgung in die Mitochondrien transportiert und dem Citratzyklus zugeführt. Als zentraler Stoffwechselweg sammelt dieser seine Substrate von zahlreichen zytosolischen und mitochondrialen Stoffwechselwegen, stellt Intermediate bereit und generiert Reduk­tionsäquivalente (z. B. NADH, FADH2), die zur ATP-Gewinnung in der Atmungskette durch OXPHOS notwendig sind. Neben dem aus der Glykolyse gewonnenen Pyruvat werden im Citratzyklus unter anderem auch Metaboliten der Fettsäureoxidation (sog. β-Oxidation) und des Aminosäureabbaus verstoffwechselt und der Atmungskette zur OXPHOS bereitgestellt (Abb. 1).

Des Weiteren werden in Citratzyklus und Glykolyse Zwischenprodukte gebildet, die weiteren Biosynthesewegen wie dem Pentosephosphatweg (PPP), der Serinbiosynthese, der De-novo-Fettsäuresynthese (FAS) und der Cholesterinbiosynthese dienen.

T-Zell-Metabolismus

Auf der Suche nach dem passenden Antigen bleiben naive T-Zellen in einem metabolischen und sekretorischen Ruhezustand. Daher haben sie nur einen begrenzten Bedarf, anabole Stoffwechselwege zu induzieren, die für die De-novo-Synthese von DNA, Lipiden und Proteinen erforderlich wären. Zur Energieproduktion nutzen naive T-Zellen deshalb vorwiegend die OXPHOS, die eine vollständige Oxidation von Fettsäuren und Glukose ermöglicht [2], um die homöostatische Proliferation und das Überleben zu sichern.

Treffen naive CD4+-T-Zellen jedoch auf ihr spezifisches Antigen in sekundären lymphatischen Organen, differenzieren diese abhängig von externen Signalen in bestimmte T-Helfer(Th)-Zell-Populationen, etwa Th1-, Th2- oder Th17-Zellen. Letztere erfüllen unterschiedliche Aufgaben in der Abwehr von Viren, Parasiten und Bakterien und besitzen zudem spezifische Stoffwechselpräferenzen (Abb. 2).

Wenngleich alle Th-Populationen Glykolyse und OXPHOS betreiben, zeigen Th2- und Th17-Zellen eine besondere Abhängigkeit bezüglich externer Glukose­aufnahme. Auch der Lipidmetabolismus wird von den verschiedenen Th-Zellen unterschiedlich genutzt: Während immunsuppressive regulatorische T-Zellen (Tregs) β-Oxidation betreiben, sind proinflammatorische Th17-Zellen auf die FAS angewiesen. Das metabolische Gleichgewicht von β-Oxidation und Fettsäuresynthese trägt damit entscheidend zur Divergenz zwischen Th17-Zellen und Tregs bei.

Die Funktion von T-Zellen wird durch Umgebungsfaktoren wie Zytokine, Metaboliten, Ionen oder Temperatur beeinflusst. Es konnte in diesem Zusammenhang beispielsweise gezeigt werden, dass Th2-Zellen in entzündlichem Lungengewebe eine erhöhte Expression von Genen zeigen, die mit dem Lipidmetabolismus assoziiert sind [3]. Krebszellen schaffen eine immunsuppressive metabolische Mikroumgebung, die eine effektive Immunfunktion behindert. Gegenwärtig ist bekannt, dass die Glukosekonkurrenz zwischen Tumor- und Immunzellen innerhalb des Tumormikromilieus zur Verringerung des glykolytischen Metaboliten Phospho­enolpyruvat (PEP) in T-Zellen führt und damit eine abgeschwächte Immunantwort dieser Zellen gegen Tumoren zufolge hat [1, 4]. Das Nährstoffangebot im Gewebe ist somit ein wichtiger Regulator der T-Zell-Aktivierung und späteren Differenzierung in verschiedene Th-Zellen. Man geht heute davon aus, dass Nährstoffe und Metaboliten als sogenanntes „Signal 4“ die T-Zell-Immunität entscheidend steuern, indem sie mit der T-Zell-Rezeptorsignalgebung (Signal 1), costimulatorischen Signalen über CD28 (Signal 2) und Signalen über Zytokinrezeptoren (sog. Signal 3) interferieren [5].

Metabolische Reprogrammierung

Damit anabole Prozesse wie Zellwachstum, Proliferation und Differenzierung von T-Zellen ablaufen können, bedarf es starker metabolischer Adaptionen. Letztere werden unter dem Begriff der sogenannten metabolischen Reprogrammierung zusammengefasst [6, 7]. Während naive T-Zellen vorwiegend auf die OXPHOS und Fettsäureoxidation angewiesen sind, kommt es im Kontext von Aktivierung und Differenzierung in verschiedene Th-Zell-Populationen zu verstärkter Nutzung der aeroben Glykolyse bei gleichzeitiger Verminderung der OXPHOS [1, 6] (Abb. 2). Induziert werden diese metabolischen Veränderungen zunächst infolge der Aktivierung des T-Zell-Rezeptors naiver T-Zellen durch ihr spezifisches Antigen, der verstärkenden Wirkung von costimulatorischen Molekülen und des Einflusses von Wachstumsfaktoren [8, 9]. Anschließend sind eine Reihe von Transkriptionsfaktoren und komplexen intrazellulären Signal­wegen beteiligt, um das metabolische Profil in Richtung Glykolyse umzustrukturieren [8]: So lösen die Aktivierung von CD28 und das Zytokin Interleukin(IL)-2 die verstärkte Expression von Nährstoffkanälen in der Plasmamembran aus und aktivieren den PI3K(Phosphoinositid-3-Kinase)-Akt (Proteinkinase B)-mTOR(Mechanistic Target of Rapamycin)-Signalweg [8]. Die beiden essenziellen Regulatoren des T-Zell-Metabolismus mTOR und c-MYC induzieren gemeinsam die verstärkte Expression des Glukosetransporters GLUT1 und des Aminosäuretransporter CD98 in der Plasmamembran [1]. Auch der Hypoxie-induzierbare Faktor-1α (HIF-1α) ist für die gesteigerte Glukoseaufnahme und Glykolyse notwendig [8]. Beeinflusst werden diese Prozesse durch die ebenfalls vermehrte Aufnahme von Glutamin und Ionen, etwa Ca2+ [9]. Ca2+ aktiviert den Transkriptionsfaktor Nuclear factor of activated T cells (NFAT), der ebenfalls Glukoseaufnahme und Glykolyse in T-Zellen kontrolliert. Die Adenosinmonophosphat-aktivierte Proteinkinase (AMPK), die inhibierend auf mTOR wirkt, ist ein weiterer wichtiger metabolischer Regulator in diesen Prozessen [1]. Auch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) sind in den Vorgang der metabolischen Reprogrammierung eingebunden. ROS entstehen beispielsweise innerhalb der Elektronentransportkette in Mitochondrien als Nebenprodukte der OXPHOS. Diese mitochondrial erzeugten ROS sind für zelluläre Veränderungen während der Aktivierung von T-Zellen ebenfalls relevant, da sie die Aktivierung von NFAT und die Expression von MYC verstärken [6].

Derzeit wird intensiv daran geforscht, warum gewisse Th-Zell-Populationen ihre charakteristischen metabolischen Signaturen aufzeigen [6]. Noch ist unklar, inwieweit äußere Faktoren, z. B. Ionen oder metabolische Substrate in entzündeten Organen, den Metabolismus verschiedener T-Zellen und anderer Immunzellen beeinflussen. Das Verständnis ihrer „metabolischen Plastizität“ ermöglicht die Modulation von T-Zellen und deren Metabolismus in Geweben bei bestimmten Erkrankungen. So können die Immunantwort gegen Pathogene und entartete Zellen verbessert und neue Behandlungswege für autoimmune und allergische Erkrankungen eröffnet werden.

Zukunftsperspektive 

Metabolische Veränderungen, wie sie in zahlreichen onkologischen und auto­immunen Erkrankungen vorzufinden sind, beeinflussen den Phänotyp und die Funktion von Immunzellen. So weisen T-Zellen von Personen mit rheumatoider Arthritis (RA) und systemischem Lupus erythematodes (SLE) eine krankheitsspezifische Stoffwechselsignatur auf. T-Zellen bei RA zeichnen sich durch niedrige ATP- und Laktatspiegel sowie eine erhöhte Verfügbarkeit des zellulären Reduktionsmittels NADPH aus. Eine übermäßige Produktion von ROS und ein gestörter Lipidstoffwechsel kennzeichnen weiterhin die Stoffwechsellage in T-Zellen von Patient:innen mit SLE. Stoffwechselveränderungen, die bei Auto­immunerkrankungen auftreten, sind wahrscheinlich stark nuanciert und kontextabhängig. Veränderungen des Glukose-, Aminosäure- und Lipidstoffwechsels in verschiedenen Krankheitszuständen könnten als Möglichkeiten zur Entwicklung diagnostischer Biomarker und zur Nutzung von Stoffwechselwegen als therapeutische Targets dienen [10].

Für die Charakterisierung des T-Zell­meta­bolismus existieren heute verschiedene experimentelle Testverfahren, die zukünftig auch in der Diagnostik implementiert werden könnten. Wie bereits diskutiert, ist für die klonale Expansion von T-Zellen insbesondere die glykolytische Leistung und damit verbunden die Aufnahme von Glukose entscheidend. Experimentell können Glykolyse und Glukoseaufnahme mittlerweile routiniert erfasst werden. Zunächst kann die Expression des Transportproteins GLUT1 gemessen werden, da dieses im Rahmen der metabolischen Reprogrammierung von T-Zellen hochreguliert wird. Das fluoreszenzmarkierte Glucoseanalogon 2-(N-7-Nitrobenz-2-Oxa-1,3-Diazol-4-yl)Amino)-2-Desoxyglucose (2-NBDG) liefert ferner eine Möglichkeit, die Glukoseaufnahme von T-Zellen quantitativ zu identifizieren. Nach Inkubation von T-Zellen mit 2-NBDG in glukosefreiem Medium kann die mittlere Fluoreszenzintensität (MFI) dann durchflusszytometrisch analysiert und so auf die Glukoseaufnahmekapazität der Zellen geschlossen werden (Abb. 3).

Weiterhin kann durch extrazelluläre Flux-Analysen Glykolyse in Echtzeit gemessen werden.  

Doch auch therapeutisch kann der T-Zellmetabolismus von Nutzen sein. Ein zentrales Ziel der modernen Krebsimmun­therapie ist die Entwicklung neuartiger Ansätze zur Erzeugung tumorspezifischer T-Effektorzellen mit verbesserter Funktion. Ein potenzielles Therapieziel könnte hierbei sein, die zielgerichtete Steuerung von Stoffwechselwegen in die Immuntherapie zu integrieren, um deren Wirksamkeit zu steigern. Verschiedene Metaboliten und stoffwechselregulierende Moleküle wie Laktat, HIF-1α, MYC, AMPK und mTOR werden dafür bereits als mögliche therapeutische Ziele diskutiert und getestet [11,12]. So induziert eine Aktivierung von HIF-1α in T-Zellen eine erhöhte Glykolyse- und Glutaminolyserate und fördert dadurch die T-Zell-Effektorfunktion.

Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine neuartige Krebsimmuntherapie, bei der T-Zellen im Labor gentechnisch mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet werden. Um die therapeutische Wirksamkeit von CAR-T-Zellen zu maximieren, ist die Optimierung des Stoffwechsels von CAR-T-Zellen ein attraktiver Ansatz [13, 14]. Zur Verbesserung der metabolischen Fitness und der Fähigkeiten von CAR-T-Zellen können beispielsweise Stoffwechselenzyme und Nährstofftransporter wie GLUT1 modifiziert werden.

Autoren
Jonas Negele
Institut für Molekulare und Klinische Immunologie, Medizinische Fakultät,
Otto-von-Guericke-Universität (OVGU), Magdeburg
Tobias Franz
Institut für Molekulare und Klinische Immunologie, Medizinische Fakultät,
Otto-von-Guericke-Universität (OVGU), Magdeburg
Sascha Kahlfuss
Institut für Molekulare und Klinische Immunologie, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität (OVGU), Magdeburg
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Medizinische Fakultät, OVGU Magdeburg
Gesundheitscampus Immunologie, Infektiologie und Inflammation (GC-I3), Medizinische Fakultät, OVGU Magdeburg; Center for Health and Medical Prevention (CHaMP), OVGU Magdeburg
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