Entlastung für Patienten

Massenspektrometrische Untersuchungen in Mikro-Blutproben

Nach dem Einzug ins Routinelabor werden Mikro-Blutproben immer häufiger für den massenspektrometrischen Nachweis von Drogen und Medikamenten, beispielsweise bei der Überwachung von Substitutionstherapien und im Therapeutischen Drug Monitoring, eingesetzt. Sowohl für das beteiligte medizinische Personal als auch für die Patienten bieten sich hierdurch zahlreiche Vorteile.
Schlüsselwörter: Mikro-Blutprobe, Massenspektrometrie, Drogennachweis, TDM

Bereits seit über 50 Jahren kommt die Analytik von getrockneten Blutstropfen, auch als „dried blood spots“ (DBS) bezeichnet, zur Diagnostik von Stoffwechselerkrankungen im Rahmen des Neugeborenen-Screenings zum Einsatz [1]. Seit einigen Jahren gewinnt sie auch in anderen Bereichen zunehmend an Bedeutung, was sich in einer steilen Zunahme der Publikationsfrequenz seit etwa 2010 niederschlägt: PubMed verzeichnet in diesem Zeitraum weit über tausend Originalarbeiten.
Die Analytik aus getrocknetem Blut wird u. a. im Bereich der Metabolismusforschung sowie bei toxiko- und pharmako­kinetischen Studien eingesetzt und aktuell als alternative Matrix in der Doping­analytik etabliert. Auch im medizinisch-toxikologischen Routinelabor hält sie nun Einzug. Nennenswerte Vorteile sind u. a. eine vereinfachte Probennahme, -logistik und -lagerung, eine erhöhte Stabilität vieler Analyte im getrockneten Blut sowie eine geringere Infektiosität im Vergleich zu konventionellen venösen Blutproben.

Durchführung

Die minimal-invasive – vom Patienten sogar selbst durchführbare – Probennahme erfolgt durch Punktion der Fingerbeere mittels einer Einmallanzette. Den sich bildenden Blutstropfen gibt man entweder auf eine Filterpapier­karte, oder man saugt ein definiertes Blutvolumen von z. B. 10 oder 20 μl mit einem Mikroprobennehmer auf (s. Abb. 1a). Die zuletzt genannte Variante ermöglicht eine Quantifizierung des Analyten.

Technik

Nach der Trocknung des Blutstropfens erfolgt die Zugabe von internen Standards und die Extraktion mit organischen Lösungsmitteln (s. Abb. 1b). Das Extraktionsmittel verdampft anschließend im Stickstoffstrom, der Rückstand wird wieder aufgenommen und zur Analyse mittels Flüssigkeitschromatografie-Tandem­massenspektrometrie (LC-MS/MS) im Multiple Reaction Monitoring (MRM)-Modus eingesetzt (s. Abb. 1c).
Technische Weiterentwicklungen haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass der Nachweis von sehr niedrig konzentrierten Analyten in immer geringeren Proben­volumina gelingt.

Therapieüberwachung

In der Praxis wird das hier beschriebene Verfahren beispielsweise zur Bestimmung von Drogen und Medikamenten im Blutstropfen bei substituierten Patienten eingesetzt: Ärzte müssen im Rahmen der Behandlung regelmäßig kontrollieren, ob das verordnete Substitutionsmittel ordnungsgemäß eingenommen wird (Compliance-Überprüfung), und sich außerdem einen Eindruck über einen möglichen akuten Beikonsum anderer psychotroper Stoffe sowie dessen Umfang verschaffen[2].
Diese Kontrollen erfolgen derzeit häufig im Urin, u. a. aufgrund der im Vergleich zu anderen Matrices längeren Nachweisfenster. Allerdings muss der Patient die Urinprobe wegen vielfältiger Manipulationsmöglichkeiten unter direkter Sichtkontrolle abgeben. Dies empfinden viele Patienten als unangenehm; darüber hinaus ist die Aufsicht bei der Probenabgabe häufig zeitintensiv und personalbindend. Hier stellt die Analytik von Mikro-Blutproben eine vielversprechende Alternative dar. Die Probengewinnung erfolgt schnell und unkompliziert, die Zuordnung ist eindeutig und eine Manipulation kann ausgeschlossen werden. Vorherige gründliche Reinigung der Hände verhindert eine externe Kontamination.

Nachweisbarkeit

Bei den durch Ausstreichen des punktierten Fingers gewonnenen Proben handelt es sich um eine Kombination aus Blut und Gewebsflüssigkeit. Die Zielanalyten kann man in der Mikro-Blutprobe für eine kürzere Zeitdauer nachweisen als im Urin. Jedoch lassen aktuelle Studien erkennen, dass sie aufgrund des Anteils an Gewebsflüssigkeit in der Mikro-Blutprobe länger detektierbar sind als im venösen Blut. Somit ist auch eine längere Nachweisbarkeit im Vergleich zu Speichel, einer weiteren minimal-invasiven Probenmatrix, anzunehmen, da die analytischen Fenster von Blut und Speichel als weitgehend übereinstimmend angesehen werden.
Aufgrund des Einsatzes moderner und hoch sensitiver Triple-Quadrupol-Massenspektrometer ist es zudem möglich, sehr niedrige Nachweisgrenzen zu erreichen und dadurch die Nachweisfenster weiter zu verlängern. So können beispielsweise im MVZ Labor Krone derzeit etwa 100 Drogen und Medikamente, darunter Tetrahydrocannabinol (THC), Amphetamine, Kokain, Opiate, Opioide, Benzodiazepine und Designerdrogen sowie Antipsychotika und Antidepressiva bis in den niedrigen einstelligen µg/l-Bereich in einer getrockneten Mikro-Blutprobe (entsprechend 20 µl Blut) eindeutig identifiziert und sicher bestimmt werden (s. Abb. 1c). Vergleichende Studien zur Nachweisbarkeit dieser Analyten in verschiedenen zur Verfügung stehenden Matrices sind nach unserer Kenntnis bisher nicht publiziert.


Überwachung des Beikonsums

Mögliche Angaben der substituierten Patienten zum Konsumverhalten sind nur eingeschränkt verwertbar. Die bisherige Erfahrung zeigt jedoch, dass der Nachweis der Substitutionsmittel einschließlich ihrer Stoffwechselprodukte in den Mikro-Blutproben sicher gelingt und auch sehr häufig ein Beikonsum nachgewiesen wird. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2018 wurden im MVZ Labor Krone über 150 Mikro-Blutproben von substituierten Patienten auf Drogen untersucht. In 99% der Proben waren Substitutionstherapeutika nachweisbar, insbesondere Methadon (95%), und in fast 85% dieser Proben auch weitere psychotrope Substanzen.
Durchschnittlich waren in jeder Probe, in der Beikonsum festgestellt wurde, Substanzen aus zwei bis drei verschiedenen Substanzklassen nachweisbar, wobei in einzelnen Proben Analyten aus bis zu sechs verschiedenen Klassen bestimmt werden konnten. Den größten Anteil aller Beikonsum-Proben nehmen Opiate ein, gefolgt von Kokain (s. Abb. 2).
Da neben THC auch dessen Stoffwechselprodukte 11-Hydroxy-THC sowie die THC-Carbonsäure mitbestimmt werden, ist anhand der Konzentrationsverhältnisse dieser Analyten sowie der Konzentration der THC-Carbonsäure zudem eine Einschätzung im Hinblick auf das Konsumverhalten von Cannabisprodukten möglich. So haben empirische Studien ergeben, dass bei hohen THC-Carbonsäure-Konzentrationen von mehr als 150 µg/l von einem regelmäßigen Cannabis-Konsum auszugehen ist [3].

TDM

Eine weitere vielversprechende Einsatzmöglichkeit der Mikro-Blutprobe ist die Bestimmung von Medikamenten, die eine regelmäßige Spiegelkontrolle erfordern (Therapeutisches Drug Monitoring, TDM), wie zum Beispiel Immunsuppressiva und Antikonvulsiva. Da hier ein quantitatives Ergebnis für die korrekte Anpassung der Dosierung unerlässlich ist, muss für TDM ein definiertes Blutvolumen abgenommen werden. Die Zahl venöser Blutentnahmen kann somit durch die hier beschriebene Technik deutlich reduziert werden. Dies ist insbesondere für Kinder oder Patienten mit Angst vor Spritzen von Vorteil. Gegebenenfalls könnten zukünftig sogar die Patienten selbst oder ein Angehöriger die Proben gewinnen, sodass besonders älteren Menschen oder Patienten in ländlichen Gebieten häufige Arztbesuche zur reinen Spiegelkontrolle erspart werden.
Da die Bestimmung der Immunsuppressiva auch bislang schon in Vollblut erfolgt und somit eine direkte Übertragbarkeit der therapeutischen Referenzwerte gegeben ist, dürfte die Untersuchung in der Mikro-Blutprobe bereits teilweise etabliert sein [4]. Bei Antikonvulsiva hingegen wird die Bestimmung der Medikamentenspiegel gewöhnlich im Serum oder Plasma durchgeführt. Die existierenden therapeutischen Referenzbereiche (z. B. der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie, AGNP [5]) gelten deshalb ausschließlich für diese Standardmatrix. Daher werden für diese Analyten in derzeit laufenden klinischen Studien die Blut/Plasma-Verteilungskoeffizienten bestimmt.
Während für einige Analyten wie z. B. Lamotrigin, Levetiracetam und Lacosamid das Blut/Plasma-Verteilungsverhältnis annähernd bei eins liegt und insofern keine signifikanten Abweichungen zwischen den Messwerten aus beiden Matrices zu erwarten sind, bestehen für andere Wirkstoffe, wie z. B. Topiramat, Carbamazepin und Zonisamid, deutliche Unterschiede, die eine statistisch abgesicherte Bestimmung angepasster Referenzwerte im Rahmen klinischer Studien zwingend erforderlich machen.

Fazit

Insgesamt stellt die Analytik von Mikro-Blutproben eine vielversprechende Alternative zur Untersuchung venöser Blutproben dar, die wohl zukünftig auch in der Labordiagnostik eine immer größere Bedeutung einnehmen wird. Das Ziel ist es – bei gleichbleibend hoher Qualität und Richtigkeit der Ergebnisse – die Blutentnahme für Patienten sowie Arztpraxen zu vereinfachen und angenehmer zu gestalten.

Autor
Dr. Ines Möller
Abteilung für Forensische und Klinische Toxikologie
MVZ Labor Krone
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