Erfolg (nur) bei hoher Mutationslast?

Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei Darmkrebs

Bei Versagen der Erstlinientherapie werden in der AWMF-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ Checkpoint-Inhibitoren als potentielle Behandlung bei Mikrosatelliten-instabilen Tumoren (MSI) erwähnt. In Deutschland ist diese Immuntherapie noch nicht zugelassen. Unter bestimmten Voraussetzungen könnte sie auch bei Mikrosatelliten-stabilen Tumoren (MSS) eingesetzt werden.
Schlüsselwörter: Mikrosatelliten-Instabilität, PD-L1, POLE-Mutation

Die Immuntherapie mit den sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitoren ist für einige Krebserkrankungen inzwischen schon zum Standard geworden.  Die bisher verwendeten Antikörper aus dieser Gruppe wirken, indem sie natürliche „Bremsen,  also negative Rückkopplungsmechanismen, im Immunsystem aushebeln. Anti­körper gegen CTLA-4 („anti-cytotoxic T-lymphocyte antigen-4“, z. B. Ipilimumab) wirken dabei in frühen Stadien der T-Zell-Aktivierung in den Lymphknoten, Antikörper gegen PD-1 („anti-programmed death-1“, z. B. Pembrolizumab, Nivolumab) oder PD-L1 („PD-ligand 1“, z. B. Atezolizumab) dagegen in späteren Stadien in der Peripherie. Gemeinsam ist beiden Strategien, dass letztendlich mehr aktive zytotoxische T-Zellen für die Bekämpfung des Tumors zur Verfügung stehen [1].
Für Darmkrebs ist in Europa nach wie vor noch kein Medikament aus dieser Gruppe zugelassen. In den USA ist das anders: Dort kann die Untergruppe der Patienten mit fortgeschrittenem, Mikrosatelliten-instabilem (MSI-high, MSI-H) bzw. Mismatch-Repair-defizientem (dMMR) Darmkrebs mit Pembrolizumab, Nivolumab oder einer Kombination von Nivolumab und Ipilimumab behandelt werden. Das sind etwa 5% aller Patienten mit kolorektalen Karzinomen (KRK) im metastasierten Stadium. Immun-Checkpoint-Inhibitoren werden auch jetzt schon in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ [2] in späteren Therapielinien als Option genannt.

Mikrosatelliten-Instabilität

Bisher ist nur bei Mikrosatelliten-instabilen bzw. Mismatch-Repair-defizienten kolorektalen Karzinomen ein gutes Ansprechen auf eine alleinige Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren beobachtet worden. Man nimmt an, dass das gute Ansprechen der MSI-H-Tumoren mit ihrer hohen Mutationslast (tumor mutational burden, TMB), also der Anzahl von Mutationen pro Megabasenpaar (Mbp) im Erbgut der Zelle, zusammenhängt. Als Mikro­satelliten-Instabilität bezeichnet man eine Längenveränderung kurzer repetitiver DNA-Abschnitte, der Mikrosatelliten. Sie ist Folge einer Mismatch-Repair-Defizienz, also des Verlusts der Fähigkeit, Basen-Fehlpaarungen (Mismatches) in der DNA zu korrigieren. Dadurch entstehen viele kleine Mutationen (z. B. Gewinne oder Verluste einzelner Basen). Liegen diese in kodierenden Regionen, entstehen in der Folge vermehrt veränderte Genprodukte, beispielsweise Proteine. Diese sogenannten Neoantigene können vom Immunsystem als Angriffspunkte gegen die Krebszellen genutzt werden. Insgesamt haben in den letzten Jahren Studien ergeben, dass Immuntherapien sehr viel besser gegen Tumoren wirken, die viele Mutationen aufweisen – wie das maligne Melanom oder der Tabak-assoziierte Lungenkrebs (Abb. 1) [3].
Erbliche Mutationen in Genen, die für Komponenten des Mismatch-Reparatur-Systems kodieren, liegen dem Lynch-Syndrom (HNPCC) zugrunde. Darmkrebs von Patienten mit Lynch-Syndrom ist daher üblicherweise Mikrosatelliten-instabil und damit ein mögliches Ziel für eine Immuntherapie. Wenn sporadische kolorektale Karzinome Mikrosatelliten-instabil sind, geht dieser Phänotyp meist auf die Hypermethylierung des MLH1-Gens zurück.
Ein Test auf Mikrosatelliten-Instabilität kann durch PCR-Analysen erfolgen, z. B. mithilfe des Bethesda-Panels. Auch ein per Immunhistochemie nachgewiesener Expressionsverlust der Reparatur-Proteine MSH2, MLH1, MSH6 und PMS2 kann eine Mismatch-Reparatur-Defizienz belegen [4]. Die Mutationslast im Tumor kann auch direkt durch Sequenzierung bestimmt werden. Hierzu sind mehrere Assays in der Entwicklung [5].

Bestimmung der Mutationslast

Die Bestimmung der TMB ist bisher noch nicht standardisiert. Als „Goldstandard“ gilt derzeit die Bestimmung durch Whole Exome Sequencing, aber auch hierfür werden unterschiedliche Cut-off-Werte (in etwa zwischen 150 und 250 nachgewiesene Mutationen) genutzt. Für das KRK besteht eine Besonderheit: Der Unterschied in der TMB zwischen Mikrosatelliten-stabilen (MSS) und MSI-H- oder POLE-Karzinomen kann wegen der durch den Entstehungsmechanismus bedingten, nicht-kontinuierlichen Verteilung auch mithilfe von recht kleinen Genpanels (unter 1 Mbp) gezeigt werden [6]. Bei einer kontinuierlichen Verteilung wie bei anderen Krebserkrankungen würden größere Panels benötigt.
Offen ist nach wie vor die Frage, wie in den Genpanel-basierten Bestimmungen die Varianten gefiltert werden sollten. Auch das Herausfiltern von Artefakten, z. B. durch Deaminierung bei der Nutzung von fixiertem Tumormaterial, muss noch optimiert werden.
Unter Federführung der Qualitätssicherungs-Initiative Pathologie GmbH (QuIP) wird eine Studie mit akademischen und nicht-akademischen Partnern durchgeführt, um die derzeitige Variabilität der TMB-Bestimmung in Deutschland zu untersuchen, und auf eine Harmonisierung hinzuarbeiten [7]. Parallel arbeiten bereits Wissenschaftler daran, auch die Eignung einer Liquid Biopsy zum Nachweis der TMB zu untersuchen [8].

Zusätzliche Biomarker

Auch unter den Mikrosatelliten-instabilen Tumoren gibt es solche, die auf die Therapie mit einzelnen Immun-Checkpoint-Inhibitoren nicht ansprechen. Bei fortgeschrittenem Darmkrebs mit MSI-H-Phänotyp waren das in den bisherigen Studien bis zur Hälfte aller Fälle. In einer kleinen Pilotstudie zu frühem Darmkrebs aus dem Jahr 2018 sprachen dagegen alle sieben dMMR-Karzinome zumindest teilweise auf eine neoadjuvante Therapie mit Ipilimumab und Nivolumab an [9].
Wie findet man unter den Patienten mit Mikrosatelliten-instabilem Darmkrebs diejenigen, die von der Therapie sehr wahrscheinlich profitieren? Bezüglich der Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab oder Pembrolizumab, die gegen den PD-1/PD-L1-Checkpoint gerichtet sind, wurde und wird hauptsächlich die Expression von PD-L1 auf Tumorzellen, aber auch auf Zellen des Tumorstromas getestet. Bei Darmkrebs wird PD-L1 von den Tumorzellen oft in geringerem Maß exprimiert als von Makrophagen an der Invasionsfront des Tumors. Weitere Bio­marker, die in diesem Zusammenhang untersucht werden, sind z. B. genetische und epigenetische Signaturen sowie die Immunzell-Zusammensetzung im Tumor und seiner Mikroumgebung [10, 11].

Mikrosatelliten-stabile Tumoren

In den ersten kleinen Studien zu Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei Darmkrebs sprachen die MSS-Tumoren nicht auf die (alleinige) Immun­therapie an – auch dann nicht, wenn eine PD-L1-Expression im Tumor nachweisbar war.Eine große Studie aus dem Jahr 2018 zeigte nun aber, dass es auch unter den MSS-kolorektalen Karzinomen eine Untergruppe gibt, die ebenfalls gut auf eine Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren anspricht [12]. Diese Tumoren zeichnen sich – wie die MSI-Tumoren – durch eine hohe Muta­tionslast aus. Diese hängt der Studie zufolge häufig mit Mutationen in der DNA-Polymerase ε (POLE) zusammen, die eine Rolle beim „proof-reading“, also beim „Korrekturlesen“ neu synthetisierter DNA, spielt. Dementsprechend kann auch eine POLE-Mutation als Hinweis auf die Wirksamkeit einer Checkpoint-Inhibitoren-Therapie gewertet werden. Allerdings ist die Untergruppe der MSS-Tumoren, die dies betrifft, klein (ca. 3% der MSS-Karzinome in der Studie).
Darmkrebs aus der Gruppe der chromosomal instabilen Tumoren (CIN-Tumoren), der beispielsweise bei der Familiären Adenomatose (FA) auftritt, ist normalerweise Mikrosatelliten-stabil und hat keine hohe Mutationslast – und damit wenige Neoantigene, die vom Immun­system erkannt werden könnten [13]. Für CIN-Tumoren erscheint eine alleinige Immuntherapie darum weniger geeignet.

Kombinationstherapien

Die Mikrosatelliten-stabilen Tumoren stellen die große Mehrheit der kolorektalen Karzinome. Das gilt insbesondere für die metastasierte Situation, bei der nur ca. 5% der Karzinome MSI-H-Karzinome sind. Darum wird mit Hochdruck daran geforscht, wie man auch die MSS-Tumoren einer Immuntherapie zugänglich machen könnte. Dabei verfolgt man – in Analogie zu den MSI-Tumoren – die Strategie, die Checkpoint-Inhibitoren mit anderen Therapiemodalitäten aus dem Bereich der zielgerichteten Therapie, der Strahlentherapie und/oder der Chemotherapie zu kombinieren. Auch eine Behandlung mit onkolytischen Viren wird in diesem Zusammenhang diskutiert. Man hofft, dass diese Therapien synergistisch wirken, weil beispielsweise durch eine Chemo- oder Strahlentherapie häufig vermehrt immunogene Tumorantigene freigesetzt werden [14].

Erste Studienergebnisse

Noch lässt die Studienlage keine eindeutigen Schlüsse zu diesen neuen Behandlungsoptionen zu. In der IMblaze370- [15] und der MODUL-Studie [16] verbesserte sich die Prognose bei Patienten mit fortgeschrittenem mikrosatellitenstabilem Darmkrebs durch den Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren-Kombinationen nicht; in der IMblaze370-Studie wurde der Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab mit oder ohne den MEK-Inhibitor Cobimetinib eingesetzt, in der MODUL-Studie Fluoropyrimidin und Bevacizumab mit oder ohne Atezolizumab.
Auf dem ASCO-GI wurde im Januar 2019 aber eine Studie vorgestellt [17], deren vorläufige Auswertung erstmals einen – laut Studie signifikanten – Vorteil im Gesamtüberleben für Patienten mit nicht auf MMR-Defizienz selektiertem fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom ergab, die die Checkpoint-Inhibitoren Durvalumab und Tremelimumab erhalten hatten. Verglichen wurde hier mit alleiniger „best supportive care“. Das progressionsfreie Überleben war nicht verbessert.
Experten fordern weitere Studien, um die Wirksamkeit dieser und anderer Kombinationstherapien beim MSS-Darmkrebs zu untersuchen. Bestätigen sich die Ergebnisse, kann auch für diese Patientengruppe gezielt nach Biomarkern gesucht werden, die ein Ansprechen vorhersagen.

Fazit

Viele Patienten mit Mikrosatelliten-instabilem Darmkrebs profitieren Studien zufolge von einer Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Hier gehen Forschungsanstrengungen dahin, weitere prädiktive Biomarker zu identifizieren, und durch Kombinationstherapien die Ansprechraten zu verbessern. Gleiches gilt für eine kleine Untergruppe von Patienten, die zwar an – nach klassischen Kriterien – Mikro­satelliten-stabilem Darmkrebs erkrankt sind, aber dennoch eine hohe Mutationslast im Tumor aufweisen, z. B. infolge einer POLE-Mutation.
Die große Mehrheit der Patienten mit Mikrosatelliten-stabilem Darmkrebs profitierte bisher nicht von einer Immun­therapie. Ein erster Hinweis auf einen Benefit durch die Kombination der Checkpoint-Inhibitoren Durvalumab und Tremelimumab aus der kanadischen CO.26-Studie muss weiter überprüft werden. Außerdem wird nach weiteren wirksamen Therapie-Kombinationen gesucht.     

Autor
Dr. Eva Krieghoff-Henning
Krebsinformationsdienst KID des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ),
Heidelberg
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